MAP in der Praxis

Ein klares gemeinsames Ziel ist ein zentraler Erfolgsfaktor für eine Multi-Akteurs-Partnerschaft. In ihrem Gastbeitrag erklärt Petra Künkel, Autorin, Gründerin und Geschäftsführerin des Collective Leadership Institutes, wie Partner am besten zu so einem gemeinsamen Ziel kommen.

Petra Künkel, Autorin, Gründerin und Geschäftsführerin des Collective Leadership Institutes, Mitglied des Club of Rome. Ihre Arbeit fokussiert auf Nachhaltigkeitstransformation in Multi-Akteurs-Partnerschaften.

Multi-Akteurs-Partnerschaften (MAP) sind Kooperationen unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteur*innen mit dem Zweck, ein gesellschaftlich relevantes Ziel zu erreichen. Sie lohnen sich dann, wenn durch die Kooperation ein solches Ziel mit mehr Wirkung erreicht werden kann und zugleich die individuellen Ziele der beteiligten Partner auch erfüllt werden können. Z.B. kann eine landwirtschaftliche Lieferkette, an der in der Produktion, im Vertrieb und im Handel etliche Akteur*innen beteiligt sind, und auf die staatliche und zivilgesellschaftliche Akteur*innen Einfluss nehmen, nicht von einem Unternehmen alleine nachhaltig gestaltet werden. Ähnlich ist es mit der Verbesserung der Medizintechnik in einem Land, in dem die Gesundheitsversorgung mangelhaft ist. Denn die optimale Nutzung einer neuen Technik ist nicht nur von deren Verkauf abhängig, sondern von einem komplexen System staatlicher und nicht-staatlicher Akteur*innen in der Gesundheitsversorgung, das sinnvoll zusammenwirken muss, damit die neue Technik sinnvoll investiert ist. Die beteiligten Akteur*innen formen daher MAP in meist sehr komplexen und dynamischen Kontexten und verfolgen gemeinsame Lösungen für vernetzten Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu verstehen, dass allen Beteiligten das Ziel ihrer Zusammenarbeit klar ist und während des Partnerschaftsprozesses auch präsent bleibt.

Aber wie kommt man zu einem gemeinsamen Ziel?

Zu Beginn hilft es oft, sich zu fragen, was der Anlass für die Idee einer MAP war. Gab es und warum einen konkreten Bedarf, war es der Wunsch ein bestehendes Vorhaben anders umzusetzen als bisher, oder motivierten vielleicht externe Ereignisse zu einer MAP?

Je besser das Verständnis darüber ist, desto einfacher ist es später den individuellen Mehrwert jedes/r beteiligten Akteur*in zu erkennen. In einer MAP ist es wichtig, sich über die unterschiedlichen Interessen bewusst zu sein, da das Erreichen der Ziele eines Partners das Erreichen der Ziele eines anderen fördern sollte.

Um zu erkennen, welche Motivation jeder Beteiligte mitbringt, sollte von Anfang an ausreichend Information über die Interessen, die Ansichten, die Faktoren und Umstände der einzelnen Akteur*innen einer MAP zusammengetragen werden, die Einfluss auf die zukünftige Gestaltung der Kooperation haben können. Das kann unter anderem in Form von

  • (informellen und formellen) Gesprächen,
  • Interviews,
  • Dokumentenanalysen,
  • Benchmark,
  • Situations- und Kontextanalysen,
  • Mindmapping oder
  • SWOT-Analysen erfolgen.

Gleichzeitig ist darauf zu achten die Beziehungen der verschiedenen Akteur*innen zueinander zu fördern. Dabei sollte man sich fragen,

  • Welche Kommunikation und Form bei den Treffen und Gesprächen gewählt werden muss, damit alle Beteiligten sich besser im Prozess engagieren und Verantwortung übernehmen können (z. B. durch das Programm, den Raum, den Kontext, in dem das Treffen stattfindet)?
  • Wie kann gewährleistet werden, dass sich die beteiligten Akteur*innen in ihren Meinungen und Zielen ernst genommen fühlen?
  • Welche Ressourcen können die verschiedenen Akteur*innen eigentlich einbringen und wo brauchen sie womöglich Unterstützung? 

Nicht immer sind alle Beteiligten gleichermaßen interessiert und engagiert. Daher ist es wichtig, in der Anfangsphase darauf zu achten, die unterschiedlichen Ansichten und Perspektiven auf ein gemeinsames Ziel in den Raum zu bringen. Machbarkeitsstudien, die oft auch MAP vorausgehen, sind daher im Rahmen von möglichen Partnerschaftsprojekten mehr als eine dokumentierte Reihe von Interviews, Analysen und Textstudien. Sie müssen zugleich einen Engagement-Prozess ermöglichen, bei potentiellen Partnern Resonanz für einen neuen Ansatz aufbauen und dazu beitragen, dass eine gemeinsame Situationsanalyse erstellt wird. Die gemeinsame Analyse der Ausgangssituation ist sozusagen der erste Lernschritt in einer MAP, den die potenziellen Partner gemeinsam gestalten.

Je mehr Akteur*innen ernsthaft an der Entwicklung einer MAP beteiligt werden, desto mehr Interesse und Bereitschaft entsteht, Verantwortung im Prozess zu übernehmen. Das Potenzial von dem gebündelten Wissen und den unterschiedlichen Erfahrungen ist enorm. Wenn dann ein ausreichendes Verständnis über die zu Grunde liegende Motivation jedes Einzelnen besteht, können im Folgenden nicht nur gemeinsame Strategien für die Erreichung der jeweiligen individuellen Ziele bestimmt werden, sondern auch ein gemeinsamer Zielkorridor für das gesamte MAP-Vorhaben.

Ein Zielkorridor gibt im Gegensatz zu einem einzelnen unveränderbaren Projektziel die Möglichkeit der Entwicklung. Er bietet Raum zur Anpassung, die in komplexen und dynamischen Veränderungsinitiativen, wie z.B. einer nachhaltigen Wertschöpfungskette, notwendig sind. Dabei kann es vorkommen, dass im Prozess der Zielerreichung sich das Ziel verändert. Ein Zielkorridor hilft also ein anderes Verständnis von Projektmanagement zu entwickeln, konstante gemeinsame Lernprozesse und Aufschluss über die Einflussfaktoren des Vorhabens zu gewinnen.

Vorhaben für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) sind keine linearen Prozesse, sondern äußerst komplex. Will man im Rahmen eines MAP einen Beitrag zur Umsetzung der SDGs leisten, brauchen alle Partner die Bereitschaft mit der Komplexität einer MAP umzugehen und dazuzulernen.

Bevor also ein Zielkorridor festgelegt wird sollten die Initiatoren einer MAP sich darüber im Klaren sein, welcher Veränderungsbedarf vorhanden ist und welche Konsequenzen sich aus der angestrebten Veränderung für den Kontext und die Situation ergeben. Hier kann es weiterhelfen, mit Situations-, Konflikt- und Stakeholder- Analysen zu arbeiten. Um den Bedarf, die Perspektive und Lebensrealität der Zielgruppe zu erörtern, sollten zusätzlich kontextuelle Interviews und Gespräche geführt werden. Es geht darum, gemeinsam zu verstehen, was bisher geschah. Auf diesem Weg werden nicht nur die Bedürfnisse der Betroffenen sichtbar, sondern auch die Möglichkeiten für die Beteiligten. Das in dem Verstehungsprozess gewonnen Wissen sollte im Laufe der Partnerschaft immer wieder iterativ in die Weiterentwicklung der MAP-Idee einbezogen werden.

Wenn alle beteiligten Akteur*innen den Kontext ausreichend verstanden haben und die unterschiedlichen Perspektiven, Stärken und Schwächen klar sind, können die Ziele und Umsetzungsschritte von allen beteiligten Akteur*innen definiert werden. Dabei müssen die Ziele für alle Beteiligten wirklich relevant sein, d.h. dass sich die einzelnen Akteur*innen in den gesetzten Zielen wiederfinden. Das ist möglich, wenn die zuvor gewonnenen Informationen über die unterschiedlichen Interessen, Ansichten, Faktoren und Umständen integriert wurden. Bei einem Zielkorridor sollte darauf geachtet werden, dass die Teilziele verständlich, realistisch, prozess- und ergebnisorientiert formuliert werden. Relevant für den Erfolg einer MAP ist am Ende, wie die Gestalter des Prozesses dafür sorgen, dass allen Beteiligten der Zielkorridor über den Verlauf der Kooperation präsent blieb und sie ihren Mehrwert darin sehen konnten.

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